Unternehmerin sein in 2020

Elisabeth Schloten

Inhalt

Unternehmerin sein in 2020 ist kein leichtes Unterfangen, auch in einer Branche, die nicht zu den Corona-Verlierern gehört. Mein Unternehmen ist erfolgreich und läuft gut. Und ich möchte helfen, mit dem Mythos aufzuräumen, dass man dafür unfehlbar, immer stark und perfekt sein muss. Dieser Artikel ist ehrlich. Er zeigt Schwäche und Schwierigkeiten. Und wie einem manchmal geholfen wird, damit klarzukommen.  

Mittwochabend im Dezember, Kinder ins Bett gebracht, ich sitze mit einem Becher Kakao im Sessel und betrachte die warme Weihnachtsbeleuchtung im Garten. Wir sind mitten in mehreren wichtigen Projekten, unser größtes Projekt rast mit Wahnsinnsgeschwindigkeit auf den Go-Live zu, und ich habe das Gefühl, mich fünfteilen zu müssen. Eigentlich habe ich keine Zeit für Reflektion und Rückblick. Doch manchmal muss das sein und tut das gut. Für mich und für andere. 

Was für ein Jahr. Beginnen wir mit den Zahlen.  

Wenn ich richtig zähle, waren wir zu Beginn des Jahres 15 Leute. Jetzt sind wir 25 plus ein paar Freelancer. 

Umsatz letztes Jahr knapp 800.000 €. Dieses Jahr kommen wir geschätzt auf 1,7 Mio €. 

Das sieht absolut genial aus. Wachstum ohne Ende. Doch das hat seinen Preis, vor allem in so einem schwierigen Jahr. 

Anfang des Jahres hatten wir eine ganz normale Auslastung, genug, um gut davon zu leben, und nicht zu viel, so dass Zeit für das Team blieb. Irgendwann kamen dann Nachrichten von diesem komischen Virus, und die Nachrichten wurden immer alarmierender. Gleichzeitig bahnte sich noch ein großes Projekt an. Ich erinnere mich unheimlich gut an die Woche vor dem ersten Lockdown. An einem Tag in der Woche bin ich nach Berlin gereist, um die Geschäftsleitung des neuen Kunden kennen zu lernen und erste Informationen über das Projekt zu bekommen. Zwei Tage später, freitags, kam eine WhatsApp nach der anderen, während ich versuchte, Projektplanung zu machen: erst die Sportvereine zu, dann die Schulen zu.  

Schock. 

Ganz ehrlich – an dem Freitagnachmittag saß ich eine Viertelstunde im Konferenzraum im Büro in Schockstarre, weil ich nicht wusste, wie es weiter geht. 

Ich bin Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern, dritte und fünfte (damals 2. und 4.) Klasse. Außerdem Geschäftsführerin von zwei Unternehmen, die ich selbst aufgebaut habe und die aufgrund ihres geringen Alters und ihrer Struktur noch stark von mir und meinem Einsatz abhängig sind. Von einem Tag auf den anderen sollte ich außerdem noch Vollzeit-Lehrerin und Kinderbetreuerin sein. 

Gleichzeitig mussten unsere Kunden von einem Tag auf den anderen ins Home Office. Viele hatten damit keine Erfahrung und nicht die notwendige Technik und Infrastruktur. So standen viele Projekte erstmal still, und Vertrieb war überhaupt nicht mehr möglich. Ein paar schlaflose Nächte waren die Folge. Schaffen wir das mit dem Home Schooling? Überlebt die Firma? Wann fangen unsere Kunden wieder an zu arbeiten? 

Es stellte sich jedoch heraus, dass die Sorge über das Überleben der Firma unbegründet war. Das neue Projekt hatte einen Fahrplan, der sich gewaschen hat. Corona oder nicht, alles musste sofort losgehen – Remote natürlich. Mit Leuten, die noch nie Videokonferenzen gemacht hatten und keine Ahnung von Teams hatten. Jedwede Arbeit mussten wir „nach online“ verlegen. In diesem Projekt geht es um Prozesse, Anforderungen, Auswahl großer Softwarepakete, Implementierung und Migration. Prozessaufnahme und -definition online mit Menschen, die man noch nie gesehen hat an Orten, wo man noch nie war – das ist, egal wie man es anstellt, einfach schwierig und kann nicht perfekt sein. In anderen Projekten haben wir Workshops zur Entwicklung von Geschäftsmodellen mit virtuellen Whiteboards online gemacht. Das hat erstaunlich gut geklappt – nur manchmal gibt es da Konzentrationsprobleme, und man muss etwas mehr Pausen einplanen. 

Mein Team hat absolut fantastisch reagiert. Sie haben sich reingehängt in die Projekte, den Mitarbeitern der Kunden geduldig die Tools zum Remote arbeiten erklärt, privat Hilfsprojekte gestartet für Leute, die selbst nicht einkaufen gehen konnten in Corona und vieles mehr. Mit diesem Team kann man einfach alles meistern.  

Im Großen und Ganzen haben uns unsere Kunden die Treue gehalten und viele neue Projekte gestartet, nachdem der erste Lockdown Schock vorbei war.  

Privat haben wir das mit dem Homeschooling mehr schlecht als recht hinbekommen. Die Kinder hatten nichts als Arbeitsblätter, die sie ausfüllen konnten. Kontrolle, neue Inhalte etc. mussten alles die Eltern machen. Und es war einfach langweilig für die Kinder. Wir haben vieles versucht, um sie bei Laune zu halten. Sport, Spiele etc. – aber eigentlich arbeiten wir beide ja Vollzeit Plus, und da fehlte uns die Zeit für viele Dinge. 

Dann kam der Sommer. Lockerungen, ein bisschen Schule, Sommerferien (für die Kinder). Geteilter Sommerurlaub – eine Woche ich mit den Kindern bei meiner Mutter, eine Woche mein Mann mit den Kindern bei seinen Eltern, eine Woche gemeinsam zu Hause mit Ausflügen, anstatt zwei Wochen in den italienischen Alpen. Schön war’s trotzdem. Zeit mit der Familie ist immer großartig.  

Es war auch toll, endlich wieder das Team zu sehen. Wir haben unser Freitags-Mittagessen immer draußen im Park gemacht und viel gelacht. Bestes Team der Welt! 

Das Riesenprojekt nahm weiter Fahrt auf und saugte wie ein schwarzes Loch immer mehr Leute aus meinem Team in sich hinein. Wir sind so busy damit, dass viel zu wenig Zeit für die Einarbeitung neuer Leute und das Team bleibt. Dafür hat das Projekt uns über das erste Lockdown-Loch getragen.  

Und dann der Herbst. Steigende Corona-Zahlen, und der ganze Mist ging von vorne los. Nur die Schulen blieben offen. Erst ging das noch, aber dann wurde es immer schlimmer. Limit für wie viele Leute gleichzeitig ins Büro dürfen. Alle Workshops wieder online. Lehrerin mit Corona, Kinder nicht in Quarantäne, OGS Betreuerin mit Corona, Kinder doch in Quarantäne, und das Thema Digitales Lernen? Immer noch Fehlanzeige. Das Höchste der Gefühle ist eine „Plattform“, auf die Materialien hoch- und runtergeladen werden können. Gleichzeitig ist der Workload in der Firma so hoch, dass ich 24 Stunden am Tag arbeiten und immer noch nicht alles schaffen könnte. Es breitet sich so ein Gefühl aus, an allen Ecken inadäquat zu sein. Kind im Home Schooling betreuen, alle Projekte mit guter Qualität betreuen, mich um das Team und die Firma kümmern – schaffe ich das alles? Diese Woche stand ich einmal morgens in dem Chaos, das die Kinder angerichtet hatten – einer wilden Mischung aus Schulsachen, Spielsachen und Büchern – und konnte nicht mehr, weil die Kinder schon wieder nur Quatsch gemacht haben anstatt ihrer Aufgaben, und ich mich um hundert andere Dinge kümmern musste. Als die Kinder gemerkt haben, dass ich am Ende war, sind sie gekommen und haben mich in den Arm genommen, getröstet und versprochen, dass sie jetzt alles ordentlich machen und wir das schon irgendwie hinbekommen. Und dann haben sie ihre Aufgaben gemacht, und wir bekommen das tatsächlich irgendwie hin. 

Und jetzt fangen die an über verlängerte Weihnachtsferien zu diskutieren. Wie sollen wir das denn hinbekommen? Ich kann die Projekte nicht fallen lassen. Aber meine Kinder selbstverständlich auch nicht.  

Wir bekommen das irgendwie hin. Warum? 

Weil wir füreinander da sind. Sowohl in meiner Familie als auch in meiner Firma. Weil wir offen miteinander über Probleme sprechen. Wenn eine*r nicht mehr weiter weiß, hilft jemand anderes. Miteinander – einer unserer Werte. In 2020 wichtiger denn je. Ich muss, genau wie alle anderen, offen mit Schwächen umgehen. Dann baut mich entweder meine Familie oder mein Team wieder auf. Ich bin fehlbar, manchmal schwach und nie perfekt. Wenn ich stark bin, baue ich die anderen wieder auf. Wenn ich schwach bin, tun sie das mit mir. 

Miteinander heißt auch, Verantwortung übernehmen. So traurig es auch ist, werden wir dieses Weihnachten unsere Eltern nicht besuchen. Ich könnte nicht damit umgehen, jemand von ihnen unbewusst mit Corona anzustecken. Wir machen es uns zu Hause schön, spielen Brettspiele, bis wir ins Bett fallen und bringen uns gegenseitig zum Lachen.  

Unsere Firmen-Weihnachtsfeier ist dieses Jahr virtuell. Darüber darf ich aber noch nichts verraten.  

Danke an meine Familie, mein Team und unsere Kunden. Bleibt gesund und vergesst nicht – Lachen hilft gegen fast alles. 

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